Katzen sind keine Kuschel-Abos – und andere unbequeme Wahrheiten
Diese Sätze höre ich leider immer wieder. Und sie machen mich jedes Mal traurig.
Denn sie zeigen, wie tief verwurzelt eine Vorstellung ist, die Katzen so sehr schadet: die Idee, dass eine Katze ein Kuscheltier auf Abruf sein soll. Ein Wesen, das unsere Bedürfnisse erfüllt. Das bitte schön zahm, freundlich, anhänglich, unkompliziert zu sein hat.
Was dabei oft vergessen wird: Katzen sind genauso Individuen wie wir Menschen. Viele Katzen stammen aus dem Tierschutz, aus schwierigen Verhältnissen oder aus zweiter Hand. Sie bringen ihre Erfahrungen mit, ihre Unsicherheiten, ihre Ängste, manchmal auch ihr Misstrauen. Sie landen plötzlich in einem neuen Zuhause mit fremden Geräuschen, unbekannten Menschen, einer anderen Sprache und anderen Erwartungen. Und sollen sich dann bitteschön direkt einfügen und funktionieren.
In diesem Artikel möchte ich einen anderen Blick auf diese Erwartungen werfen. Einen ehrlicheren. Und ich möchte erzählen, warum unsere Vorstellung von der „perfekten Katze“ oft so weit von der Realität entfernt ist – und was stattdessen hilft.
Die Wunschkatze gibt es nicht
Katzen sind Lebewesen mit ihren ganz eigenen Geschichte, Prägungen, Traumata, Eigenheiten und Grenzen. Sie sind keine leeren Blätter, die wir mit unseren Erwartungen beschreiben können. Sie sind keine Kuschel-Abos, die man abonnieren und bei Nichtgefallen wieder abbestellen kann.
Manche Katzen brauchen Wochen, andere Monate oder Jahre, um Vertrauen zu fassen. Manche lassen sich nie gerne anfassen, zeigen ihre Nähe aber auf andere Weise. Und ja: Manche kommen nie dort an, wo wir sie gerne hätten – aber das sagt doch nichts über ihren Wert aus, oder?
Was Tierheime (nicht) versprechen können
Viele Tierheime leisten eine bewundernswerte Arbeit. Die Mitarbeiter/-innen geben ihr Bestes, um Katzen zu beobachten, einzuschätzen und die passenden Menschen für sie zu finden. Die Angaben zur Katzenpersönlichkeit erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen – auf Basis der Erfahrungen vor Ort.
Und dennoch: Katzen mit Vergangenheit sind in gewisser Weise eine „Black Box“. Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie sie sich in einem neuen Zuhause verhalten werden. Neue Umgebung, andere Geräusche, fremde Menschen – all das kann alte Ängste oder Verhaltensmuster auslösen, die im Tierheim nicht sichtbar waren.
In einem neuen Zuhause beginnt für die Katze eine völlig neue Welt. Und manche Katzen brauchen viel Zeit, um in dieser Welt wirklich anzukommen.
Beziehung ist keine Einbahnstraße
Beziehung bedeutet Geben und Nehmen – das gilt auch für die zwischen Mensch und Katze. Und doch erlebe ich immer wieder, dass Katzen in erster Linie daran gemessen werden, was sie uns geben: Zuneigung, Nähe, Unterhaltungswert, emotionale Entlastung. Die eigenen Wünsche stehen im Vordergrund, während das Wesen und die Geschichte der Katze oft nur eine Nebenrolle spielen.
Doch echte Beziehung beginnt da, wo wir bereit sind, die Perspektive zu wechseln. Wo wir uns fragen: Was braucht sie? Was hilft ihr, sich sicher zu fühlen? Welche Signale sendet sie mir – auch wenn sie (noch) keine Nähe zulässt?
Eine Katze, die sich nicht sofort streicheln lässt, ist nicht „unsozial“ oder „undankbar“. Sie schützt sich. Sie tastet sich heran. Und sie braucht Menschen, die genau das aushalten und begleiten können. Beziehung bedeutet, der Katze die Zeit zu geben, die sie braucht – und dabei trotzdem da zu sein.
Vertrauen lässt sich nicht erzwingen. Es entsteht durch Zeit, Verstehen, Geduld und Respekt. Wer erwartet, dass eine Katze nach kurzer Zeit zutraulich sein muss, verkennt, was Bindung wirklich bedeutet.
Meine Geschichte mit Clärchen
Als unsere Katze Clärchen mit ihrer 12-wöchigen Tochter Helli bei uns einzog, hatten wir keinen leichten Start. Clärchen hat nahezu ununterbrochen miaut, war unruhig und völlig unzugänglich. Ich schäme mich heute noch, wenn ich sage, dass ich sogar über eine Rückgabe nachgedacht habe, weil ich einfach nicht wusste, was ich tun sollte.
Doch natürlich ist Clärchen geblieben. Und sie war eine Katze, die mich unglaublich viel gelehrt hat. Unsere Liebe ist erst langsam im Laufe der Jahre gewachsen, aber dann passte kein Blatt mehr zwischen uns. Clärchen war (und ist) meine Seelenkatze.
Was sich damals verändert hat? Ich habe mir Hilfe gesucht, um Clärchen zu unterstützen – und ich habe angefangen, mich wirklich mit kätzischem Verhalten und kätzischer Kommunikation zu beschäftigen. Clärchen hatte jedes Recht, so zu sein, wie sie war. Ich habe erst später verstanden, was die Gründe dafür waren.
Diese Erfahrung hat mein Verständnis für Katzen und meine heutige Arbeit grundlegend geprägt.
Warum ich aufhöre, nett zu erklären – und anfange, Klartext zu reden
Natürlich ist mir bewusst: Wenn sich im Leben einer Katze etwas verändern soll, dann geht das nur über den Menschen. Ich erlebe immer wieder Menschen, die an ihre Grenzen kommen, die frustriert oder verzweifelt sind, weil ihre Katze sich nicht so verhält, wie sie es sich wünschen oder erhofft haben. Und ich habe grundsätzlich Verständnis für diese Gefühle – denn viele dieser Herausforderungen sind real und nicht immer leicht zu bewältigen.
Aber: Verständnis bedeutet nicht, alles zu relativieren. Wenn Katzen als „schwierig“, „undankbar“ oder gar „nicht mehr haltbar“ abgestempelt werden, nur weil sie sich – aus Katzensicht völlig verständlich – zurückziehen, wehren oder anders verhalten als gewünscht, dann muss ich klar Stellung beziehen. Denn dann steht nicht das Tier im Mittelpunkt, sondern eine Erwartungshaltung, die aus menschlicher Sicht bequem, aber aus tierischer Sicht nicht haltbar ist.
Ich habe lange versucht, verständnisvoll zu übersetzen, geduldig zu erklären, diplomatisch zu formulieren. Aber irgendwann reicht es. Denn jedes Mal, wenn ich von einer Katze höre, die nach wenigen Wochen zurück ins Tierheim soll, weil sie nicht den Erwartungen entspricht, blutet mir das Herz.
Katzen sind keine Produkte mit Rückgaberecht. Sie sind nicht dazu da, unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Sie sind nicht verpflichtet, sich so zu verhalten, wie wir es wollen. Wer das nicht akzeptieren kann, sollte ehrlich zu sich sein und sich fragen, ob er überhaupt bereit ist, Verantwortung für ein Tier zu übernehmen.
Diese Klarheit ist unbequem. Aber sie ist notwendig.
Was mir dabei wichtig ist: Es geht mir nicht darum, dass jede Katze unter allen Umständen im Zuhause bleiben muss. Es gibt durchaus Situationen, in denen eine Abgabe eine verantwortungsvolle Entscheidung sein kann – zum Beispiel, wenn eine Katze in ihrem aktuellen Umfeld dauerhaft überfordert ist, schwere Konflikte mit anderen Tieren bestehen oder ihre Bedürfnisse trotz aller Bemühungen nicht erfüllt werden können. Solche Entscheidungen trifft niemand leichtfertig – und sie verdienen Respekt.
Aber ich spreche hier nicht von diesen Ausnahmefällen. Ich spreche von Fällen, in denen die Katze abgegeben werden soll, weil sie nicht sofort Nähe zulässt. Weil sie sich nicht wie gewünscht verhält. Weil sie Grenzen zeigt. Und das ist etwas ganz anderes.
Was stattdessen hilft
Erwartungen hinterfragen:
Warum will ich, dass die Katze schmust? Geht es wirklich um sie – oder um mich?
Raum geben:
Die Katze entscheidet, wieviel Nähe sie zulassen kann. Nicht wir. Katzen schätzen es sehr, wenn wir ihren Wunsch nach Abstand respektieren. Und genau dann kann Nähe entstehen.
Körpersprache lernen:
Viele Übergriffe passieren aus Unwissenheit. Wer seine Katze lesen kann, verletzt weniger ihre Grenzen. Dadurch kann sie nach und nach eine Verbindung zu uns aufbauen.
Geduld haben:
Vertrauen hat keine Deadline, sondern ist ein Prozess.
Verantwortung übernehmen:
Wer eine Katze aufnimmt, übernimmt für hoffentlich viele Jahre eine Verpflichtung und eine Verantwortung. Und das heißt auch, die Grenzen seiner Samtpfote zu kennen, zu respektieren und ihr ein Umfeld zu schaffen, indem sie sich sicher und entspannt bewegen kann.
Fazit: Wer eine Katze liebt, liebt sie nicht für das, was sie uns gibt – sondern für das, was sie ist.
Vielleicht ist Deine Katze nicht die Schmusekatze, die Du Dir gewünscht hast. Aber vielleicht ist sie genau die Katze, die Dich lehrt, was echte Beziehung bedeutet.
Wenn wir aufhören, Katzen zu bewerten wie Produkte, beginnen wir, ihnen wirklich gerecht zu werden.
Und wenn Du gerade zweifelst, ob Du mit Deiner Katze jemals zusammenwachsen wirst: Denk an Clärchen. Manchmal brauchen besondere Beziehungen einfach mehr Zeit – aber sie können alles verändern.
Über Katzenlächeln
Ich bin Christiane – Verhaltensberaterin für Katzen und Gründerin von Katzenlächeln.
Ich unterstütze Dich dabei, Deine Katze besser zu verstehen – bei Alltagsfragen, auffälligem Verhalten oder in herausfordernden Lebensphasen.
Ein Schwerpunkt meiner Arbeit liegt auf der achtsamen Begleitung von Katzensenioren – mit ihren feinen Bedürfnissen, ihren Veränderungen und dem oft unausgesprochenen Thema Abschied.
In meiner Katzenlächeln-Welt dürfen all diese Fragen Raum haben – für ein liebevolles Miteinander ein ganzes Katzenleben lang.
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